Das Wappen des Stadtteils Friedrichsdorf
Adelige Rosen und verspottete Zwiweljehs –
Vor 200 Jahren besiegelt: Friedrichsdorf erhält sein Stadtwappen
Sie ist wohl die prächtigste Urkunde, die das Stadtarchiv besitzt: Der Stadt Friedrichsdorf wurde damit vor 200 Jahren das Recht verliehen, ein Wappen zu führen. Das am 9. Juni 1821 ausgestellte Dokument zeigt neben einen schmucken Text eine fein gezeichnete Bildseite. Im Zentrum stehen – kreuzförmig dargestellt – neun weiße Rosen in einer tiefblauen Wappenkartusche vor einem himmelblauen Hintergrund. Das Wappenschild flankieren Ansichten des Homburger Schlosses sowie die Kirche zu Meisenheim am Glan; somit nehmen die markantesten Bauwerke der damaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg die junge Stadt in ihre Mitte. "In Anbetracht, dass sich diese Stadt seit ihrer Begründung stets durch Treue und Anhänglichkeit an Unser landgräfliches Haus ausgezeichnet hat", heißt es auf dem Pergament, werde ihr nun das Wappen verliehen.
Der lange Weg zur Verleihung der Stadtrechte und der Privilegien
Dabei hatte die Hugenottensiedlung bereits 1771 die Stadtrechte erhalten, und die Friedrichsdorfer durften sich hinfort Bürger nennen. Lange zuvor hatte man um eine Bestätigung zunächst jener Privilegien gebeten, die der Stadtgründung 1687 vorausgegangen, und die für die Sonderentwicklung der Kolonie so entscheidend waren. Dann hoffte man auf die Stadtrechte. Doch es gab zunächst, 1750, nur einen kargen Entwurf, der jedoch nie ausgefertigt wurde. Schuld daran war vermutlich eine unordentliche Verwaltung, denn erst nach mehrmaliger Anfrage erhielt Friedrichsdorf eine Abschrift der von Friedrich II. von Hessen-Homburg gewährten Privilegien.
1766 wagte der hiesige Bürgermeister erneut eine Eingabe, in der man neben den Bürgerrechten gleich noch um eine Braugerechtigkeit bat. Als Argumente führte er eine nunmehr städtische Entwicklung und vor allem den wirtschaftlichen Aufschwung an, so dass man sich der Neustadt Homburgs (Louisenstadt) ähnlicher sah als den ländlichen Dörfern der Umgebung. Schließlich bestätigte Landgraf Friedrich V. Ludwig nicht nur die Privilegien, sondern erteilte die ersehnten Stadtrechte. Allerdings gab es diese nicht unentgeltlich, immerhin belasteten sie die Stadtkasse mit 556 Gulden. Eine Investition, die sich freilich lohnte. Dabei war die Zeit der großen Stadtrechtsverleihungen mit dem Spätmittelalter bereits längst vorbei. Dennoch strebte Friedrichsdorf eben gerade jene Vorrechte an, wie sie in der "Louisenstadt" praktiziert wurden.
Hierzu gehörten etwa die Wochenmärkte ebenso wie eine eigene Infrastruktur, also Verkehrswege, Brunnen und Wasserleitungen selbst einrichten zu dürfen. Und – dies war besonders wichtig – das Recht, bestimmte Steuern selbst festsetzen, erheben und über deren Verwendung bestimmen zu können. Zudem bestand das Sonderrecht darin, Neusiedlern Grundstücke kostenfrei oder zu günstigen Preisen zu überlassen, und ihnen den Hausbau zu erleichtern. Hingegen war eine Voraussetzung für das volle Bürgerrecht der Grundbesitz wie auch der "eigene Herd", also der Hausbau. Aufgenommen wurde man dann in den Bürgerverbund durch die Zahlung eines Bürgergeldes. Doch erst mit der Verleihung des Stadtrechtes war die Benennung "Bürger" verbunden, denen der "Stadtrat" dann vorstand.
Das Wappen – aus Rosen, die zunächst an Zwiebeln erinnerten
Erst fünfzig Jahre später verlieh Landgraf Friedrich Joseph Friedrichsdorf das Recht, ein Wappen zu führen. Anlass bildete der Besuch des russischen Großfürsten Nicolaus Paulowitsch und seiner Gemahlin Alexandra Feodorowna (1798 – 1860), die Tochter Königs Friedrich Wilhelm VII. von Preußen und Königin Louise. Nach ihrer dritten Schwangerschaft innerhalb von drei Jahren war Alexandra nach einer Totgeburt in tiefe Depressionen gefallen. Auf Anraten ihrer Ärzte reisten sie und ihr Mann Nikolaus im Herbst 1820 zu Alexandras Familie nach Berlin, wo sie bis zum Sommer 1821 blieben. Charlotte, die erst in Russland den Namen Alexandra angenommen hatte, war eine eifrige Leserin. Bereits als Kind hatte sie sich eine weiße Rose als Sinnbild gewählt, nach der Heldin eines Ritterromans von Friedrich de la Motte Fouqué, der zur Lieblingslektüre der königlichen Geschwister zählte. Fortan trug sie im Familienkreis den Kosenamen "Blanche-Fleur". Die Zahl der Rosen im Wappen, das übrigens Wassili Andrejewitsch Schukowski, Dichter und Lehrer der Großfürstin, entworfen haben soll, bezieht sich auf die Anzahl der Buchstaben in ihrem Namen Alexandra.
Wenig kunstvoll soll dann die Ausführung der Rosen zunächst gewesen sein, so dass deren Aussehen eher an Zwiebeln erinnerte. Aus diesem Grunde verspotteten Nachbarn die Friedrichsdorfer sodann als Zwiweljeh.
Mit Stadtrechten und Wappen versehen, rangierte nun Friedrichsdorf in seiner Bedeutung hinter Homburg, wenngleich andere Amtsdörfer weitaus höhere Einwohnerzahlen besaßen. Friedrichsdorf zählte gerade einmal 667 Einwohner, davon waren rund die Hälfte Kinder. Mit dieser "Standeserhöhung" sprach also der Landgraf seine Anerkennung für den wirtschaftlichen Status der Siedlung aus. Längst hatte man die Strumpfproduktion hinter sich gelassen und sich erfolgreich dem Textilgewerbe zugewandt. Es gab 33 Flanell-, zwei Tuch- und einen Hutfabrikanten sowie 22 Flanellweber und fünf Baumwollspinnereien. Das Gastgewerbe verteilte sich auf fünf Wirte, die jedoch keinen Koch angestellt hatten. Traditionelle Handwerksberufe wie Maurer und Zimmermann gab es nicht, dafür zwei Schreiner und gleich sechs Schuster. Doch der Höhepunkt der Textilfabrikation war gerade überschritten, vage zeichnete sich ein neuer Aufbruch an: in der Hutfabrik von Rousselet und den Bäckereien von Stemler und Seidel. Auf den Blechdosen der Zwiebackfabriken war denn auch weitaus häufiger das Wappen zu finden als auf amtlichen Schreiben der Stadtverwaltung. So gelangte es denn auch auf den Frühstückstisch der russischen Zarenfamilie, die das Zweifachgebackene aus Friedrichsdorf orderte.
Übrigens – die Urkunde der Wappenverleihung wurde erst mit einer großen Verspätung zugestellt: am 21. Februar 1828. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.