Margarethe Reis

Margarethe Reis mit ihrem Mann Philipp und den Kindern Elise und Charle...

Eine Ehe ohne Misston – Margarethe Reis, Ehefrau des Telefonerfinders

 

Margarethe Reis war auf den Tag genau zwei Jahre jünger als ihr Mann Philipp. Zwar kannten sie sich bereits von Kindheit an, doch bevor der Tüftler um ihre Hand anhielt, nahm er Maß, ob seine Auserwählte auch in den Größenverhältnissen zu ihm passe. Denn wäre die Braut nur eine Strohhalmsbreite größer gewesen, hätte er nicht um sie geworben, erklärte Reis später oft im Scherz. Nach ihrer Hochzeit folgte die Gelnhäuserin ihrem Mann nach Friedrichsdorf, wo sie ihn liebevoll umsorgte.

Geboren wurde Margarethe Reis am 7. Januar 1836 als Tochter des Schneidermeisters Johann Christian Schmidt und seiner Frau Susanne Marie, geborene Ball. Benannt wurde das Mädchen nach der Großmutter, die zugleich auch ihre Patin war. Zusammen mit ihren drei jüngeren Schwestern wuchs sie im Handwerkerhaushalt auf und war erst 16, als ihre Mutter starb. Nach der Wiederheirat ihres Vaters wurde ihr jedoch "schon in zarter Kindheit mannigfache Gelegenheit geboten, sich in der Pflege und Erziehung der nachgeborenen Stiefschwestern zu beteiligen. So reifte sie denn unter den verschiedensten Erfahrungen und Pflichtübungen zur Jungfrau heran." Ihr Vater war inzwischen der Vormund des Waisenjungen Philipp Reis geworden. So kannten sich also die beiden bereits seit Kindertagen und blieben auch dann noch in Verbindung, als Philipp im Alter von zehn Jahren Gelnhausen verließ, um in Friedrichsdorf das renommierte Knabeninternat Institut Garnier zu besuchen.

Die Naturwissenschaften hatten es Philipp Reis angetan, so dass er gern dem Rat seiner Lehrer folgen und studieren wollte. Als er seinen ehemaligen Lehrer Louis Frederic Garnier besuchte, bot dieser ihm jedoch sogleich eine Stelle an seinem Institut an. Und Reis blieb. Eine feste Stelle und ein sicheres Gehalt ließen ihn nun ans Heiraten denken. Die Wahl war längst auf seine schlanke Jugendfreundin Margarethe Schmidt gefallen.

Hochzeit in der Gelnhäuser Marienkirche und Umzug nach Friedrichsdorf

Am 1. September 1858 heiratete das Paar in der Gelnhäuser Marienkirche. Sofort verfügte der 24-jährige Ehemann testamentarisch, dass im Falle seines Ablebens die Kinder, die aus dieser Ehe hervorgehen würden, eine umfassende Ausbildung erhalten sollten. Seine Frau setzte er zur Alleinerbin ein, denn damals besaß er durch das Erbe seiner Großmutter ein kleines Vermögen. Davon kaufte er das Haus in der heutigen Hugenottenstraße 93, in dem heute das Museum untergebracht ist. Das Gebäude stand in bester Lange schräg gegenüber zur Kirche, zwischen den Grundstücken von Jeremie Garnier und Bürgermeister Louis Charles Garnier. Der Preis von 5.500 Gulden für ein zweistöckiges Fachhaus war zwar hoch, doch dafür gab es neben einem Färbhaus noch eine Scheune und einen großen Garten. Später ließ das Paar noch den Seitenflügel mit der Tordurchfahrt anbauen. Stets hielt Margarethe das Haus peinlich sauber, berichteten später Nachbarn.

Als Margarethe nach Friedrichsdorf zog, war das Städtchen noch streng hugenottisch geprägt. Die Umgangssprache Französisch. Es dauerte daher einige Zeit, bis die ersten gesellschaftlichen Kontakte geknüpft waren, zumal Familie Reis in Seulberg zur Kirche ging. In der ersten Zeit der Ehe war "Gretchen", wie Reis seine Frau liebevoll nannte, sehr krank, sogar dem Tode nahe. Philipp half, wo er nur konnte, stellte ein Dienstmädchen an und ersann Erleichterungen für den Alltag. So konstruierte er direkt vor dem Fenster ihres Zimmers im ersten Stock eine Klappe. Seine Frau brauchte nunmehr nur draufzutreten und die darunter liegende schwere Tür öffnete sich wie von selbst, wenn jemand schellte.

Geburt der Kinder

Philipp verbrachte seine Musestunden mit Tüfteleien, vor allem beschäftigte er sich in den ersten Jahren ihrer Ehe mit dem Telefon. Als am 21. Januar 1860 ihr erster Sohn geboren wurde, kam er tot zur Welt. Umso dankbarer war Gretchen über die glückliche Geburt ihrer Kinder Elise Susanne (14. Februar 1861) und Charles Christian Philippe (22. Januar 1863). Sie wuchsen behütet auf. Nur das vierte Kind, wieder ein Söhnchen, wurde 1866 während der Geburt von ihnen genommen. Philipp war ein guter Vater, erzählte Geschichten und Anekdoten, druckte für Elise die Geschichte vom Rotkäppchen auf einer eigenen Handdruckpresse. Sorgfältig band er das Büchlein ein und versah es mit selbstgefertigten Bildern. Auch verarztete er die Kinder bei kleineren Unfällen oder Krankheiten, bastelte für sie Spielzeug und besserte es aus.

Er liebte es, mit ihnen durch den Taunus zu streifen und dabei die Natur zu erklären. Leider konnte er seine Kinder nicht selbst unterrichten, so dass sie zunächst die Volksschule in Seulberg besuchten, hätten sie doch dem französischsprachigen Unterricht in Friedrichsdorf nicht zu folgen vermocht.

Reis indes war bei seinen Schülern beliebt, galt als streng aber gerecht. Die von den Bosseleien, wie er es nannte, gezeichneten Hände, veranlassten die Schüler, ihm den Spitznamen „Schlosser“ zu geben. Seiner Frau war das vernachlässigte Äußere ein Ärgernis. Nur widerwillig zog Philipp Reis den Frack an, den er als „Möbel“ bezeichnete, und hasste den von ihm als Angstrohr titulierten Zylinder. Handschuhe hielt er für ein unnötiges Übel.

Eine Ehe ohne Misstöne

Margarethe lernte ihren Mann zu besänftigen und mit Liebe zu umsorgen. Rückblickend schrieb später ihr Sohn Charles: "Während Reis außer seinem trockenem Humor doch eigentlich Ernst veranlagt war, so war seine Frau gerade das Gegenteil. Mit ihrem stets kindlich heiterem Gemüt gewann sie allen Lebenslagen und Verhältnissen die gute Seite ab und erfrischte den ermüdeten, oft verstimmten, von anstrengender Geistesarbeit heimkehrenden Gatten durch muntere Worte." Der Sohn beschrieb das Paar als unterschiedlich, sich aber so ausgleichend, dass in der Ehe kein Misston fiel. Beide liebten die Musik, beherrschten jedoch kein Instrument. Trotzdem hatte Philipp Reis ein Klavier gekauft, um sich das Spielen nach eigener Methode anzueignen, doch kam er über die Anfänge nicht hinaus. Man lud sich daher gerne musizierende Gäste ein.

"Ich habe auch dem Herren zu danken", hatte Reis in seiner Autobiographie vermerkt, "der hat mir in meinem Beruf und in meiner Familie den Segen gegeben und mehr Gutes an mir getan, als ich von ihm erbitten musste." Als Reis dies schrieb, litt er bereits schwer an Lungentuberkulose, der er schließlich am 14. Januar 1874 erlag. Seine letzten Gedanken kreisten um seine Familie, "Dürfte ich doch meinen Kindern meine Kenntnisse hinterlassen und sie wären versorgt", hatte er noch auf dem Totenbett geflüstert. Elise und Carl waren damals gerade 13 und 11 Jahre alt.

Der Tod nahm der Familie nicht nur den Gatten und Vater, sondern brachte zudem finanzielle Probleme. Denn Philipp Reis war kein examinierter Lehrer gewesen und seine Witwe daher auch nicht pensionsberechtigt. Dies zwang die Familie, Räume im Haus an die Familie Wagner zu vermieten, deren Sohn Willy später in die Fußstapfen des Telefonerfinders treten sollte. Zwar hatten die Forschung und die Experimente viel Geld verschlungen, doch das Telefon nicht den erwarteten Erfolg gefunden.

Späte Anerkennung nach dem Tod von Philipp Reis

Erst 14 Jahre nach Reis’ Tod, am 1. April 1888, erhielt Margarethe endlich eine Anerkennung für die Verdienste ihres Mannes. Ein Telegramm verkündete: "Seine Majestät der Kaiser haben allergnädigst geruht auf Antrag Ihres verstorbenen Mannes mittels allerhöchster Ordre vom 28. März eine fortlaufende Beihülfe von 1.000 Mark jährlich aus dem allerhöchsten Dispositionsfond bei der Reichshauptkasse vom 1. April 1888 ab zu bewilligen. Staatssekretär von Stephan." Dies waren die "Lichtstrahlen ihres Witwenstandes [...], dass ihr Gatte in der Welt der Gelehrten auch in dem großen Publikum schließlich doch noch diejenige Anerkennung seiner Forscherrechte und Forscherlehre gefunden hat, die ihm jenseits des Oceans Gelehrtenneid und Eigennutz verkümmern wollten."

Bis zu ihrem Tod blieb Margarethe Reis, umsorgt von ihrer Tochter Elise, in ihrem Haus wohnen. Als sie am 11. Januar 1895, fast auf den Tag genau 21 Jahre später als ihr Mann, nach kurzer Krankheit starb, wurde sie von ihren Kindern, denen ihre ganze Liebe und Sorge gegolten hatte, tief betrauert. Bestattet wurde sie auf dem Friedrichsdorfer Friedhof; das Grab hat sich allerdings nicht erhalten.

nach oben

 

Zurück